Die Promotion legt für einen Großteil der Naturwissenschaftler*, aber auch für Ingenieure* den Grundstein für eine Karriere in der Forschung. Sie ist eine Investition in die berufliche Zukunft, denn die Promotion ist für viele Positionen in der universitären und industriellen Forschung Voraussetzung. Doch spätestens kurz vor dem Ende der Dissertation stellt sich vielen Doktoranden* die Frage: Wie geht es weiter? Welchen beruflichen Weg schlage ich nach der Promotion ein? Forschung und Lehre oder freie Wirtschaft?
Diese Fragen bereiten Doktoranden* schon während der Promotionsphase Bauchschmerzen, da die beruflichen Möglichkeiten für Naturwissenschaftler* und Ingenieure* vielfältig sind. Doch was ist das Richtige für mich?
Inhalt
Während die akademische Forschung wissenschaftliche Erkenntnisse und den Ausbau der Grundlagenforschung und des wissenschaftlichen Renommees durch Publikationen als primäres Ziel hat, ist die industrielle Forschung eher produktorientiert und anwendungsbezogen.
Außerhalb der klassischen akademischen Laufbahn stehen Promovierten zahlreiche Einstiegsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Berufsfeldern auch außerhalb der Forschung offen. Eine Studie hat ergeben, dass 70 % der promovierten Naturwissenschaftler* und Ingenieure* nicht in die Forschung, sondern in andere Berufsfelder einsteigen.
Wenn du bereits während des Studiums weißt, dass du keine akademische Laufbahn einschlagen möchtest, ist es sinnvoll, schon vor der Promotion Kontakt zu Unternehmen und Forschungsinstitutionen aufzubauen und dich über Forschungskooperation und Promotionsmöglichkeiten zu informieren. Zum Beispiel während Praktika, Werkstudententätigkeiten oder Abschlussarbeiten.
Durch verschiedene Einstiegsmöglichkeiten bieten Firmen Studierenden und Promovierenden so die Möglichkeit, einen ersten Einblick in die industrielle Arbeitswelt zu erlangen. Dies ermöglicht Ihnen nach Ihrem Abschluss einen fließenden Übergang in die industrielle Arbeitswelt. In den letzten Jahren haben sich insbesondere Trainee-Programme für Ingenieure* und Naturwissenschaftler* etabliert. Sie bieten Promovierten und Postdoctoral Fellows, kurz Postdocs, einen interdisziplinären Einstieg in verschiedene Fachabteilungen.
Es gibt verschiedene Trainee-Programme, die den Einstieg in verschiedene Berufsfelder ermöglichen. Während der in Regel 16- bis 36-monatigen Programmdauer kannst du in Forschungs- und Entwicklungsprojekte eingebunden sein. Du kannst aber auch an Schnittstellen zwischen Produktentwicklung, Marketing, Vertrieb und Management stehen und verschiedene Geschäftsbereiche kennenlernen. Je nach Unternehmen, hast du die Möglichkeit interessante und abwechslungsreiche Projekte an verschiedenen Standorten zu übernehmen. Einige Firmen bieten ihren Trainees auch die Chance zu einem Auslandsaufenthalt.
Informiere dich am besten auf Jobbörsen wie jobvector.de, fachspezifischen Karrieremessen oder direkt auf den Karrierewebseiten der Firmen über deine Einstiegsmöglichkeiten. Wichtig ist, dass du dir bereits im Vorfeld Gedanken über deine Interessen und deine möglichen Karrierewege machst. So vermeidest du auch, dass du wichtige Bewerbungsfristen verpasst. Viele Unternehmen bieten Naturwissenschaftlern* und Ingenieuren* natürlich auch den gängigsten Berufseinstiegsweg über einen klassischen Direkteinstieg.
Der Weg, den die meisten frisch Promovierten aufgrund ihres Erfahrungsschatzes aus der Promotion im Blick haben, ist der Postdoc in der Industrie. Der Postdoc kann sowohl in der Grundlagenforschung als auch der angewandten Forschung und Entwicklung tätig sein, überwiegend in einer leitenden Position, z. B. als Laborleiter*. In deinen ersten Berufsjahren sammelst du Führungserfahrung, schreibst Forschungspläne und koordinierst (Teil-)Projekte und Personal. Dazu gehören aber auch Aufgaben wie das Einholen von Angeboten zur Analyse von Sequenzen und Verhandlungen mit Vertriebsmitarbeitern* von Laborgerätefirmen.
Da sie oft sehr interdisziplinär mit verschiedenen Unternehmenseinheiten zusammenarbeiten, bieten viele Unternehmen promovierten Mitarbeitern* ganz unterschiedliche Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten: So können sie sich betriebswirtschaftliche oder patentrechtliche Grundlagen aneignen oder in das Marketing oder den Vertrieb reinschnuppern.
Hast du bereits während des Studiums erste Marketing- oder Vertriebserfahrung durch Praktika oder Nebentätigkeiten sammeln können, dann steht dir auch ein Quereinstieg offen. Abhängig von deinem persönlichen Karriereplan und dem Unternehmen, hast du nach zwei bis fünf Jahren oft die Chance die Karriereleiter weiter aufzusteigen z. B. als Produktmanager.
Der Einstieg in die industrielle Forschung und Entwicklung scheint gängig, ist jedoch wie eingangs erwähnt nicht die Regel. Der Berufseinstieg in andere Berufsfelder wie den Vertrieb, das Marketing, das Qualitätsmanagement u. v. m. bietet facettenreiche Möglichkeiten. Nur ein Ausschnitt aus diesen vielfältigen Möglichkeiten ist in Kapitel 1 dargestellt.
Wenn du deine berufliche Zukunft langfristig in der universitären Forschung und Lehre siehst, ist der erste Schritt eine Position als Postdoc. Diesen kannst du entweder an einer in- oder ausländischen Universität oder Großforschungsinstituten wie einem Fraunhofer-, Max-Planck- oder Helmholtz-Institut ausüben.
Das Hauptziel liegt während der ca. zwei bis sechsjährigen Postdoc-Phase darin, dass du dein wissenschaftliches Profil und dein berufliches Netzwerk ausbaust, national und international in renommierten Fachzeitschriften publizierst, an Konferenzen teilnimmst und Vorträge hältst, um dich so auch langfristig auf deinem Fachgebiet zu etablieren. Mit verschiedenen Forschungsstipendien können Postdocs auch im Ausland ihre eigenen Forschungspläne realisieren. Denn insbesondere während dieser Phase spielt die Internationalität eine wichtige Rolle im wissenschaftlichen Lebenslauf.
An der Universität oder an Forschungszentren angestellte Postdocs werden rein formal als wissenschaftliche Mitarbeiter* mit befristeten Verträgen beschäftigt. Sie erhalten im ersten Berufsjahr – abhängig vom Bundesland und der Entgeltstufe – ca. 52.417 € brutto (Entgeltgruppe 13 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder). Ebenso sind Förderungen über Drittmittel, eigene Forschungsgeldanträge und Postdoc-Stipendien möglich. Allerdings variieren in vielen Fällen neben der Förderhöhe und -dauer auch die Auszahlungsmodalitäten.
Viele Stipendien beinhalten Zuschläge für Sach-, Kinderbetreuungs- und Reisekosten und ggf. Assistentenstellen. Dafür zahlen die Stipendiaten* nicht selbst in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung ein und sind verpflichtet, entweder eine gesetzliche oder private Krankenversicherung abzuschließen.
Die Dauer der Postdoc-Phase ist nicht klar definiert. Sie variiert in der Regel zwischen zwei und sechs Jahren. Da die Anstellung meist über befristete Verträge erfolgt, solltest du das Thema, den Umfang deines Projekts und dessen Dauer abwägen und dich mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz auseinandersetzen. Darin wird seit 2007 die Beschäftigung des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf maximal sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion beschränkt.
Aber selbst nach sechs Jahren muss nicht zwangsläufig mit der Forschung Schluss sein. Es gibt vielfältige Forschungsmöglichkeiten außerhalb der Universität oder in Drittmittelprojekten. Allgemein stellt sich für viele Postdocs spätestens nach zwei bis drei Jahren die Frage nach der beruflichen Weiterentwicklung. Wer nicht in die Industrie wechseln möchte, sondern weiter in der akademischen Forschung und Lehre seine wissenschaftliche Zukunft sieht, für den sind neben der Habilitation eine Juniorprofessur oder eine Nachwuchsgruppenleitung der nächste Schritt.
Eine Juniorprofessur ist als Einstiegsposition in das selbständige wissenschaftliche Arbeiten eine weitere Etappe auf dem Weg zur Lebenszeitprofessur. Sie soll jungen Akademikern* die Basis zur wissenschaftlichen Selbstständigkeit bieten. In der Regel ist sie auf drei Jahre befristet und kann bei positiver Zwischenevaluierung auf insgesamt sechs Jahre verlängert werden.
Neben der Forschung und dem Publizieren übernehmen Juniorprofessuren Lehrtätigkeiten von vier bis sechs Stunden pro Woche. Sie werben Drittmittel ein und sind verantwortlich für die Budget- und Personalplanung. Das beinhaltet auch die kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen überfachlichen Kompetenzen, z.B. im Bereich Zeitmanagement und Hochschuldidaktik. Als Beamte auf Zeit werden sie mit W1 amtlich besoldet, was einem monatlichen Grundgehalt von ca. 4.700 € entspricht.
Alternativ können sich junge Wissenschaftler* auf Förderprogramme für die Leitung einer Nachwuchsgruppe bewerben. Mit einem eigenen Budget, Mitarbeiterstellen und Sachmitteln ausgestattet, können Nachwuchsforscher* eigenverantwortlich für meist fünf Jahre an der Universität ihrer Wahl ihr eigenes Forschungsprojekt realisieren. Die jeweiligen Prüfungs- und Promotionsordnungen der „Gastinstitution“ legen fest, inwieweit Nachwuchsgruppenleiter* berechtigt sind, Promotionen abzunehmen.
Abhängig vom Förderprogramm, haben Nachwuchsgruppenleiter* auch die Möglichkeit, einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Voraussetzungen, sowohl für die Bewerbung auf eine Nachwuchsgruppenleitung als auch auf eine Juniorprofessur sind der Nachweis von einschlägigen Publikationen, getreu dem Motto „publish or perish“, die Benotung der Dissertation und andere wissenschaftliche Leistungen wie z. B. die Durchführung von Lehrtätigkeiten.
Die Habilitation wird als „höchstes deutsches akademisches Examen“ bezeichnet und ist der letzte Schritt auf dem Weg zur Lebenszeitprofessur. Sie kann sich, abhängig von der wissenschaftlichen Leistung, an die Postdoc-Phase anschließen oder parallel zur Juniorprofessur oder die Nachwuchsgruppenleitung erfolgen.
Die Juniorprofessur soll eigentlich die Habilitation ersetzten. Trotzdem habilitieren viele Juniorprofessoren parallel, da die Berechtigung zur Abnahme von Promotionen nach der Juniorprofessur nicht einheitlich geregelt ist und man Gefahr laufen kann, das Promotionsrecht trotz positiver Evaluierung zu verlieren, wenn sich nicht gleich eine Lebenszeitprofessur anschließt.
Während der in der Regel sechs Jahre dauernden Habilitationszeit muss der Kandidat* nachweisen, dass er in einem wesentlich größeren Umfang als in seiner Dissertation in der Lage ist, selbstständig zu forschen, komplexe wissenschaftliche Fragestellungen zu klären und Lehrtätigkeiten zu übernehmen. Die fachlichen Voraussetzungen für eine Habilitation und die dazugehörige Habilitationsschrift werden individuell in den Landeshochschulgesetzen und den Prüfungsordnungen der Universitäten geregelt. Die Habilitationsschrift dient als finale schriftliche Prüfungsleistung.
Nach dem erfolgreichen Verlauf des Prüfungsverfahrens erhält der Habilitand* die Lehrbefugnis, „Venia legendi“. Damit ist er berechtigt, den Titel „Privatdozent*“ zu führen.
Eine Alternative zur Habilitation auf dem Weg zur Lebenszeitprofessur bietet das aus den USA und Kanada stammende Tenure-Track-System: In der Regel werden ambitionierte Nachwuchswissenschaftler* als Assistant Professor oder Juniorprofessor*, mit Aussicht auf eine dauerhafte Professur, berufen. Diese erfolgt nicht automatisch, sondern ist mit einer strengen und positiven Zwischenevaluierung der Forschungs- und Lehrleistungen verbunden.
Bis zur Berufung als Professor* ist es allerdings ein langer Weg: Von einer erfolgreich abgeschlossenen Promotion, Juniorprofessur oder Habilitation bis zur Berufung als Professor* vergehen in der Regel mindestens zwölf Jahre. Neben hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen ist für eine Professur neben Ausdauer und einer ausgeprägten Stress- und Frustrationstoleranz, auch ein gewisses „Trendgespür“ bei der Suche nach neuen wissenschaftlichen Fragestellungen erforderlich.
Die Fähigkeit komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge an unterschiedliche Zielgruppen zu kommunizieren ist ebenso wichtig für eine Professur. Zu den Kernaufgaben eines Professors* gehören neben der Forschung und Lehre, auch Verwaltungs- und Gremientätigkeiten und die Pflege von Kooperationen mit Unternehmen und Partneruniversitäten im In- und Ausland.
Bevor du den einen oder den anderen Karriereweg einschlägst, ist wichtig: Mache dir rechtzeitig vor dem Abschluss deines Studiums bzw. deiner Promotion Gedanken darüber, wo du dich beruflich langfristig siehst.
Hast du Spaß am wissenschaftlichen Forschen und Schreiben? An der Zusammenarbeit mit Studierenden? Fühlst du dich im universitären Umfeld zu Hause? Oder siehst du deine berufliche Zukunft in der angewandten und produktorientierten freien Wirtschaft? Du arbeitest lieber praxisorientiert und interdisziplinär und willst unabhängig von universitären Forschungsgeldern sein? Dann hast du in der Industrie gute Chancen. Allerdings solltest du bedenken, dass im Vergleich zur akademischen Forschungsfreiheit, hier Ziele und Methoden oft vorgegeben sind.
Während du in der industriellen Forschung im Vergleich zur akademischen Laufbahn nur noch bedingt Zeit im Labor verbringen wirst, brauchst du für die universitäre Forschung und Lehre eine gesunde Portion Individualismus und Durchhaltevermögen. Nicht jedem Forschungsgeldantrag wird stattgegeben und nicht jedes Paper wird akzeptiert. Nicht jeder Wissenschaftler* erhält den Ruf zu einer Professur.
Viele wissenschaftliche Angestellte im akademischen Umfeld arbeiten auf befristeten Stellen im akademischen Mittelbau. Da die Forschungsetats in der Industrie meist höher sind, locken nach Ende der Probezeit oftmals unbefristete Verträge und bietet so langfristig eine sichere und zuverlässigere berufliche Perspektive. Weiterhin solltest du überdenken, in welchem Berufsfeld du dich siehst. Auch wenn die Forschung und Entwicklung nahe liegt, bieten andere Berufsfelder ebenfalls spannende und aussichtsreiche Möglichkeiten.
Hier ist genauso wichtig, dass du dir frühzeitig Gedanken machst, welches Berufsfeld dir liegen könnte. Daher bietet es sich an, schon während der Promotion Erfahrungen und Qualifikationen zu sammeln, die dir einen Einstieg ermöglichen. Unternehmen achten hier neben den fachlichen Soft Skills, besonders auf Ihre Erfahrungen und Qualifikationen, welche für dieses Berufsfeld erfolgversprechend sind. Unabhängig von deiner Entscheidung, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben oder in die Industrie zu gehen, sind ein gutes Netzwerk und die Begeisterung für die eigene Arbeit essentiell.
Wichtig ist das Gesamtpaket, das du mitbringst: Sprachkenntnisse, Auslandsaufenthalte, Soft Skills, Spezialisierungen und die damit verbundenen persönlichen Erfahrungen machen dein Portfolio aus.