Gegen Ende des Studiums stellt sich für gute Studenten* eine wichtige Frage für den weiteren Lebensweg: „Soll ich promovieren?“
Wer sich diese Frage stellt, der übersieht oft, dass sich hinter dieser Frage eigentlich mehrere andere, persönliche Fragen verstecken. Die Frage nach der Stärke von wissenschaftlichem Ehrgeiz, Neugier und Motivation; die Frage nach den Vorteilen einer Promotion für den weiteren Lebensweg; ebenso die Frage nach den beruflichen und privaten Zielen; nach der persönlichen Eignung; und nicht zuletzt die Frage, was einen erwartet und ob man bereit ist, auch Nachteile in Kauf zu nehmen.
Inhalt
Der beste, edelste und am weitesten tragende Grund für eine Promotion ist immer noch: brennendes Interesse am Thema. Man hat die Möglichkeit, sich mehrere Jahre lang intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen, aktiv zu forschen, Lösungen zu finden und zum Experten* auf seinem Gebiet zu werden.
Gerade bei einer praxisnahen, in der Industrie verwendbaren Fragestellung, kann dieses Expertenwissen auch im Leben nach der Promotion sehr hilfreich sein. Das Interesse am Thema ist die wichtigste Voraussetzung wenn man promovieren möchte. Die große Motivation, die daraus geschöpft wird, hilft beim erfolgreichen Bestehen der Promotion – auch wenn es länger dauern sollte als geplant.
Dann wären da noch die Karrierechancen. In bestimmten Branchen ist eine sinnvoll zu promovieren, wenn nicht gar obligatorisch. Wer eine wissenschaftliche Karriere anstrebt, für den gehört die Promotion einfach dazu. Allerdings sollte er sich vorher sorgfältig über den Arbeitsmarkt im universitären Bereich informieren. Eine gute Promotion ist noch lange kein Garant für eine akademische Berufslaufbahn. Auch wer eine verantwortliche Position in einer naturwissenschaftlich ausgerichteten F&E Abteilung eines Unternehmens ins Auge fasst, sollte promovieren. Für Chemiker* etwa, die mit Führungsverantwortung als Laborleiter* arbeiten möchten, ist die Promotion der richtige Abschluss. Andernfalls verlängert sich der Weg bis zur angestrebten Personalverantwortung. Von Ingenieuren* wird hingegen meist keine Promotion erwartet. Sie ist eher ein Bonus für wissenschaftlich besonders interessierte Studenten.
Auch in weniger wissenschaftlichen Bereichen kann ein „Dr.“ der Karriere dienen: Der Titel verspricht Prestige. Außerdem signalisiert er möglichen Arbeitgebern neben interkulturellen Fähigkeiten des Inhabers* auch Leistungsbereitschaft, Disziplin und Hartnäckigkeit: Der Absolvent* hat ja bereits vor dem eigentlichen Berufsstart erfolgreich ein Projekt mit langer Laufzeit beendet – die eigene Promotion. Man sollte sich aber genau umsehen und nicht ausschließlich wegen der vermeintlich besseren Karriereaussichten promovieren.
In vielen Bereichen ist kein Titel nötig, um schnell aufzusteigen oder viel zu verdienen etwa im Vertrieb. Gerade kleine Betriebe sehen eine Promotion oft als Überqualifikation an, wenn diese für die Ausübung der Tätigkeit nicht erforderlich ist und können oder wollen den entsprechenden Vergütungsaufschlag nicht zahlen. Auch Absolventen* aus Bereichen, in denen Bewerber* dringend gesucht sind, sollten sich überlegen, ob sie den aktuellen Fachkräftemangel nicht nutzen möchten, um sofort in die Industrie zu gehen. Die Unternehmen sichern den begehrten Experten* momentan hohe Löhne und Sonderkonditionen zu.
Wer promovieren möchte, braucht ein hohes Maß an Motivation, die einen über die mehrjährige Promotion trägt. Auch vielleicht auftretende Forschungsmüdigkeit in fortgeschrittenen Phasen sollte diese Motivation überwinden können. Dazu braucht es Leidenschaft für das Thema. Eine Promotion, die aus den falschen Gründen begonnen wird, kann leicht scheitern. Persönliche Eitelkeit („Dr.-Titel vor dem Namen klingt einfach verdammt gut“), reines Karrierekalkül oder Druck von außen sollen und können deshalb keine maßgeblichen Faktoren sein.
Bedenke, dass wenn du promovierst, du dich über Jahre mit einem einzigen Thema beschäftigen wirst. Oft ist dabei eine hohe Frustrationstoleranz und Stressresistenz nötig. Auch wer nicht gerne schreibt, wird sich schwertun, viele Seiten wissenschaftlicher Texte in Form von Manuskripten, Publikationen und der eigentlichen Dissertation zu verfassen. Weitere Argumente gegen eine Promotion sind die finanziellen Entbehrungen. Diese muss man nämlich trotz harter Arbeit und im Regelfall erheblicher Überstunden während der Promotionszeit in Kauf nehmen, während viele Freunde* gut bezahlte Jobs bekommen und Familien gründen. Dazu gehört ein gutes Stück Idealismus.
Die beiden Buchstaben vor dem Namen sind jedoch nur ein Schlüssel. Die passende Tür für diesen Schlüssel, die Lebensglück im Hinblick auf Jobzufriedenheit, Vergütung und Aufgabenfeld eröffnet, muss trotz erfolgreicher Promotion erstmal gefunden werden. Eine Garantie gibt’s nicht, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine anspruchsvolle Tätigkeit in einem spannenden Umfeld hoch.
Wenn man alle Argumente abgewogen und sich zu einer Promotion entschlossen hat, stößt man auf die nächste große Frage: „Wie finde ich den richtigen Doktorvater, bzw. die richtige Doktormutter?“. Die Wahl des Betreuers* ist eine wichtige Entscheidung, denn der Betreuer* bietet im Idealfall fachliche Unterstützung, persönlichen Zuspruch und Ermutigung in Krisenzeiten und weist auf Schwachstellen hin.
Außerdem hilft das persönliche und berufliche Netzwerk des Doktorvaters oder der Doktormutter oft beim Berufseinstieg. Am besten belegt man verschiedene Kurse und Vorlesungen, um die Professoren* und Ihre Arbeit besser kennenzulernen. Außerdem sollte man herausfinden, ob der potenzielle Doktorvater/Doktormutter ein gutes Renommee hat und wie er in seinem Fach vernetzt ist. Seine Publikationen zu lesen, kann auch nicht schaden. In jedem Fall sollte man jemanden wählen, der sich mit dem gewünschten Thema auskennt.
Wichtig für eine gelungene Promotion ist auch eine gute Betreuung. Man kann mit anderen Doktoranden* sprechen und fragen, wie gut sie sich unterstützt fühlen. Haben sie genügend Freiraum, um ihre Doktorarbeit zu gestalten, oder überwiegt die Arbeitszeit, die in andere Aufgaben wie Klausurkorrekturen und weitere Zuarbeiten im Institut investiert werden muss? Welche Methoden bevorzugt der Professor*?
Sind Promotionsvereinbarungen üblich, in denen sich der Doktorvater/Doktormutter zu einer angemessenen Betreuung verpflichtet? Auch die menschliche Ebene sollte man berücksichtigen. Persönliche Probleme mit dem Betreuer* können sich negativ auf die Motivation auswirken und das „Projekt: Promotion“ gefährden. Man kann sich auch über Graduierten-Kollegs informieren: Dort arbeitet man gleich mit einem ganzen Betreuer-Team. Wie im nachfolgenden Berufsleben ist ein nicht zu unterschätzender Faktor auch das Team, mit dem man dann wahrscheinlich über 1.000 Tage arbeitet: Passt man da rein und könnte man in diesem Team Freunde* finden?
Und wie funktioniert eigentlich eine Promotion? Zunächst braucht man eine gute Fragestellung, die man selbstständig und als erster bearbeitet und versucht zu beantworten. Um das richtige Thema zu finden, sollte man zunächst überlegen, für welches Themengebiet man sich persönlich interessiert und welche Fragestellungen daraus relevant und noch unbeantwortet sind.
Bevor man mit der Arbeit beginnt, sollte man absolut sicher sein, dass die Fragestellung bzw. die angestrebte Lösung so noch nicht bearbeitet und veröffentlicht worden ist. Anschließend sollte man die Fragestellung daraufhin abklopfen, ob es möglich ist, sie in der geplanten Promotionszeit umfassend zu behandeln, ansonsten sollte das Thema noch weiter eingegrenzt werden. Danach wird das Thema in kleinere Teile „zerlegt“, sodass Etappenziele festgelegt werden können.
Während der nächsten Monate forscht man aktiv und dokumentiert dabei seine Ergebnisse. Gleichzeitig behält man aktuelle Forschungsergebnisse anderer Wissenschaftler* aus dem Gebiet der Doktorarbeit im Blick und vergleicht seine Ergebnisse damit. Die messbare Güte der Promotion sollte sich letztlich auch in der Anzahl der während der Promotionsphase veröffentlichten Publikationen manifestieren.
Gegen Ende der Promotion oder des PhD-Programms , wenn sich zeitlich und thematisch ein rundes Bild ergibt, verfasst man eine zusammenhängende Dissertationsschrift, in der man seine bisherigen Dokumentationen nutzt. Die Dissertation wird wie jeder wissenschaftliche Text logisch gegliedert. Sie beginnt mit einer Einleitung, in der man das Thema und Fragestellung dargestellt und hergeleitet, weshalb die Fragestellung relevant ist und bisher noch nicht wissenschaftlich beantwortet wurde.
Im zweiten Teil stellt man dar, wie man zu seinen Ergebnissen gekommen ist: Man beschreibt also seine Materialien, Methoden und Experimente. Der größte Teil der Schrift beschäftigt sich mit der Darstellung der Ergebnisse und deren Interpretation – der Diskussionsteil. Dazu werden auch die Publikationen anderer Wissenschaftler zu diesem Gebiet herangezogen.
Am Ende jedes Kapitels werden die Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben, zusammengefasst. Zur Visualisierung der Ergebnisse nutzt man Tabellen und Abbildungen. Im Schlussteil werden alle Ergebnisse und Schlussfolgerungen noch prägnant zusammengefasst und der Doktorand gibt einen Ausblick auf Fragen, die offen geblieben sind und die noch zu erforschen wären.
Was hier so knapp dargestellt recht einfach klingt, ist ein Prozess, der sich in den Natur- und Ingenieurwissenschaften über mindestens drei Jahre hinzieht. Ferner muss man in diesem Rückschläge einstecken und Motivationslöcher überbrücken können. Am Ende steht aber die Promotionsfeier, auf der man sich den Doktorhut aufsetzen darf und stolz auf seine Leistungen zurückblicken kann!
Du solltest die Promotionszeit auch nutzen, um dir sogenannte Schlüsselqualifikationen anzueignen. Viele Hochschulen bieten speziell für Doktoranden* entsprechende Kurse an. Diese können neben wissenschaftlichen Inhalten wie wissenschaftliches Schreiben oder Präsentieren auch Themen wie Projektmanagement, Zeitmanagement, Rhetorik beinhalten. Gerade Kurse dieser Art können für eine zukünftige Bewerbung sehr vorteilhaft sein.
In dem Zusammenhang solltest du dich auch nach strukturierten Promotionsprogrammen erkundigen. Diese werden von vielen Hochschulen angeboten. Beispiele sind Graduiertenkollegs, Excellence-Schwerpunkte oder Graduiertenprogramme. In diesen werden Kurse angeboten, institutsübergreifende Vortragsreihen organisiert und oft Mehrbetreuerkonzepte umgesetzt, damit Doktoranden* möglichst viel wissenschaftlichen Input erhalten.
Die Promotionszeit ist auch eine hervorragende Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen und sich ein Netzwerk aufzubauen, sowohl in der Wissenschaft, als auch in der Wirtschaft. Man kann seine Doktorarbeit auf Konferenzen vorstellen und in Vorträgen anderer Wissenschaftler* mit guten Fragen auf sich aufmerksam machen. Eine weitere Möglichkeit ist es, auf Konferenzen mit Wissenschaftlern* ins Gespräch zu kommen oder Nachwuchspanels zu nutzen. Der Grundstein für eine nachhaltige Vernetzung auch für das spätere Berufsleben wird in der Promotionszeit gelegt.